Hamburg im Mai – Bestager unterwegs
was mich stark macht..-
Die Anreise nach Hamburg aus unterschiedlichen Startorten erleben wir mit der Bahn ganz entspannt. Nur ein kleiner Moment der Panik als ich auf der Hinfahrt nach einem WC Besuch die Richtung verliere und mein Abteil nicht wiederfinde. Zigmal renne ich an den gleichen Leuten vorbei, die bereits für den Ausstieg in Hannover die Gänge mit Gepäck verstopfen. Ich quetsche mich an ihnen vorbei und verstehe nicht, wieso ich meinen Platz 3 Minuten vor dem Halt nicht sehe.
Da, endlich. Ich bin richtig. Kurze Entspannung. Meine Freundin hat mich schon ohnmächtig auf der Toilette gesehen. Unterzuckerung…. „Was hätte ich tun sollen?“ Schwierige Situation. Ich beschließe, mich besser zu konzentrieren. Ist ja schon ein bisschen peinlich.
Angekommen in Hamburg, verlieren wir gleich nochmal die Orientierung. Diesmal weil meine Freundin in die falsche Richtung geht. Nach einigen Umwegen finden wir jedoch, unterstützt von freundlichen Hamburgern unser Hotel und kommen erst mal an. Nach kurzer Pause machen wir einen Plan.
Wir beschließen, uns treiben zu lassen. Wir sind beide nicht so wirklich super gut zu Fuß.
Also benutzen wir die entspannten Angebote, wie z.B. das Boot auf der Alsterrundfahrt. Wir lassen uns für 15 EUR einen halben Nachmittag bei strahlendem Frühsommerwetter über die Alster schiffen. Ein gut aufgelegter Kapitän erklärt uns das Leben auf und um die Alster herum. Wir sehen brütende Schwäne, die in großer Zahl zu Hamburg gehören und gehegt werden. Wir schweben durch Kanäle in Hamburger Vororten, früher für die Warenschifffahrt genutzt, heute sind wir Betrachter einer neuen Wohnwelt längs der Kanäle und natürlich der Alster. Dort wo sich Reichtum angesiedelt hat, weil es so unfassbar hübsch ist, ein Grundstück mit Villa am Wasser zu haben.
Ich staune, was sich manche Menschen alles so leisten können.
Dynastien wie Kühne und Nagel oder Nivea haben sich hier nieder gelassen. Dass Geld in Hamburg steckt, merkt man hier wie überall. Immerhin 22000 Millionäre und 18 Milliardäre leben in diesem Bundesland. Die Stadt ist voll mit aristokratisch wirkenden Hanseaten, die überwiegend gut gekleidet und höflich unterwegs sind.
Nicht nur die Schwäne sind stolze Vögel, die Hamburger heben sich auffällig von dem ab, was ich aus dem Ruhrgebiet gewohnt bin. Ich habe auch das Gefühl, dass man mich einordnen kann. Auf jeden Fall Tourist. Mit Übergewicht. Hamburger sind gefühlt schlank, groß und intelligent. Irgendwie eine Welt voller schöner Akademiker mit kantigem Gesicht.. Sucht hier Parship auch? Oder ist das nicht nötig?
Hier finden die Schönen und Reichen ganz selbstverständlich zusammen.
Die Frauen sind überwiegend gut gewandet, sehen meist teuer aus. Viele blonde Schopfe, zum Pferdeschwanz gebunden. Ich sage zu meiner Freundin: „ Irgendwie habe ich das Gefühl, die haben alle ein Pferd zu Hause. Die Frauen sehen aus wie edle Reiterinnen.“ – „ Ja, kann sein – aber wahrscheinlich haben sie alle Boote.“
Ach ja, ich vergaß. Hier ist ja Wasser.
Ja, ein bisschen Neid stellt sich ein, nicht zu dieser wohlhabenden Schicht zu gehören. Ich bin halt ein Pottkind ohne Vermögen. Dafür vielleicht lustiger. Keine Ahnung. Ich will auch nicht behaupten, dass Hamburger nicht lustig wären. Aber auch hier:
Unterschiedliche Erfahrungen, Reichtümer und Umfeld machen andere Menschen.
Wir bummeln nach fast 2 Stunden Bootsfahrt am Jungfernstieg entlang und suchen bei 26° (Im Mai!!) einen schattigen Platz in einem netten Restaurant in der Nähe, wo wir für relativ viele Euros eine Portion Spaghetti mit Gambas bestellen. Die Spaghetti sind leider nicht al dente, sondern haben wohl schon einige Zeit im Salzwasser gelegen. Leider. Aber die Bedienung ist freundlich. Der Wein kalt und der Platz gemütlich. Der Kellner ist zu beschäftigt um uns ständig zu fragen, ob wir noch etwas möchten. Daher bleiben wir fast zwei Stunden bei einem Getränk und bleiben günstig.
Wir reden ununterbrochen. Das heißt, ich rede wohl …
Meine Freundin ist im Aufnahmemodus. Sie hört sich mein Leben an. Wir tauschen unsere Gedanken, Gefühle und Erlebnisse aus. Es ist viel, was so in den letzten 20 Jahren geschehen ist. Fragen, Lösungen, Bewertungen. Frauen, insbesondere Freundinnen, lassen nicht viel aus.
Ich weiß, ich rede wie gedruckt und wenn ich erst mal den Faden aufnehme, stricke ich den Pullover zu Ende.
Wir wollen uns auf den Weg zum Hotel machen. Ein 4*Haus, zentral hinterm Bahnhof gelegen. Die Gegend ist etwas gewöhnungsbedürftig. Hier hat sich in der Nähe des Busbahnhofs ZOB ein schwarzes Viertel etabliert. Das erste Mal in diesem Jahr seit der viel diskutierten Flüchtlingsthematik 2016, dass ich mit so vielen Migranten konfrontiert werde. Ich gebe zu, dass ich mich nicht wirklich wohl fühle. Wir haben bisher in HH City nicht übermäßig viele Migranten gesehen. Anders als in Berlin oder Dortmund. Aber hier gibt es offenbar eine kleine Siedlung.
Wir gehen (noch im Hellen) zurück zum Hotel, nehmen noch ein Glas alkoholfreies Weizen zum Abkühlen, die uns von einem lustigen schwarzen Kellner serviert wird. Aber dann ist es auch gut.
Wir sind nach vier Stunden Bahnfahrt, Bootfahrt und Stadtbummel ziemlich kaputt. Wir müssen schlafen. Die Wörter fliegen noch in unseren Köpfen. „Waltraud“ sehe ich an, dass es reicht.
TAG 2 – Sonne scheint
Die Nacht war warm – Klimaanlage kaputt – (4*!), Frühstück reichhaltig. Nichts zu meckern, außer dass ein Frühstück für 17,00 EUR überteuert ist.
Frisch geduscht und mit bequemen Schuhen ausgestattet! (Waltraud hat zwei dicke Blasen!)
Wir setzen unsere Unterhaltung nahtlos fort, keine Pause.
Ich habe gute Laune, viel Energie und bin im Modus.
Um 10.oo Uhr entscheiden wir uns für eine Stadtrundfahrt, die ich noch nie in Hamburg gemacht habe. Es besteht die Möglichkeit, ab den Landungsbrücken dann mit einer Fähre nach Blankenese zu gelangen. Das ist unser Tagesplan.
Wir erwischen einen Bus mit einem jungen Moderator, der sich Joshua nennt und mit dunklen Locken und einen dunklen Teint verrät, dass sich in den Hamburger ein bisschen Übersee gemischt hat. Er unterhält uns mit Hamburger Akzent informativ und witzig über Sehenswertes und Geschichte. Die Fahrt ist kurzweilig und interessant. Die 15 EUR Tagesticket haben sich gelohnt. Der beste Spruch das Tages : „Jetzt schauen sie mal ganz unauffällig nach links! Da, ein Reicher.. !!“ (entspannt im Garten einer 500 m2 Villa an der Alster – nur kein Neid)
Außerdem sitzen wir vorne und oben im Doppeldecker und haben beste Aussicht.
Wir sehen alles, was Muss ist in HH – Jungfernstieg, den Michel, die Speicherstadt, den Hafen, die Landungsbrücken, die Elfie (Elbphilharmonie ist fertig!). Hamburg ist eine beeindruckende Stadt, wenn auch mit vielen Baustellen, aber auch mit einem großen kulturellen Angebot. Für ein Musical muss ich noch mal wieder kommen. Am Mittag machen wir ein Päuschen an den Landungsbrücken, besichtigen den Aufzug zum ersten Elbtunnel aus 1901! Danach suchen wir den Fähranleger, von dem aus wir nach Blankenese fahren wollen. Mit 2 x umsteigen.
Hier treffen wir auf supernette Hamburger und Berliner, die uns die beste Fahrtroute verklickern.
Die Sonne prallt bei 27°. Unfassbar. Eine halbe Stunde brauchen wir bis Finkenwerder, das Schiffchen ist proppevoll. Wir steigen um nach Teufelsbrück, Gott sei Dank ist es windig auf der Elbe. Die Frisur sitzt nicht mehr.
Dann in den Schnellbus Nr. 36 bis Blankenese. Blankenese liegt an der Elbe, in die Hänge ans Elbufer gebaut. Ja, richtig: Es liegt recht hoch und schlängelt sich über etliche Höhenmeter bis an den Elbstrand. Wir fahren mit dem Bus bis ganz nach unten. Ich höre auf meine Freundin, die hat mal gelebt in Hamburg und kennt sich aus. Ich war vor 40 Jahren mal hier…
Nun halten wir unten an, steigen aus und was macht meine Liebe.. – sie führt mich wieder rauf auf den Berg. Nun denn, ich muss lachen: „ Warum sind wir nicht oben ausgestiegen und wandern runter‘?“ „ Ich kenn den Weg nach unten nicht!“ Wenn die Sonne nicht so heiß wäre… Wir krabbeln einigermaßen mühsam die Treppen von Blankenese hoch. So richtig Spaß kommt bei mir dabei nicht auf. Treppen sind nicht mein Lieblingsthema. Auf einiger Höhe muss ich streiken. Wir wenden und gehen einen idyllischen Weg Richtung Elbe. Plötzlich sehen wir am Ende des Wegs eine Treppe, die in ein Gasthaus mit Blick über Blankenese führt. O.k. Nochmal aufwärts. Alles gut.
Oben angekommen finden wir einen wunderbaren schattigen Platz bei Kaffee und Kuchen und quatschen weiter.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Am späten Nachmittag machen wir uns wieder auf nach unten. Wir fahren ab Blankenese mit der S-Bahn zurück zum Hafen. Mit etlichen Eindrücken im Gepäck gehen wir in das Portugieser Viertel Nähe der Landungsbrücken. Hier kann man lecker Spanisch und Portugiesisch essen. Wir finden ein nettes Lokal und essen natürlich Fisch… draußen.
Ein mediterranes Gefühl mischt sich in die hanseatische Atmosphäre. Internationales Publikum überall. Wir reden weiter.
Ich gönne mir zwei Gläschen Weinschorle, offenbar macht mich das noch redseliger. Ich erinnere mich an viele Dinge, die in meinem Leben passiert sind und breite sie in bunten Bildern aus.
Meine Freundin wird indes immer stiller. Was’s los? „Ich muss erst mal sacken lassen, du hast einiges abarbeiten müssen.“ „ Ja, jeder auf seine Art“. Selten ist nur das eigene Leben schwierig.
Die Erkenntnis versöhnt mit dem Erlebten. Jetzt leben wir, können durch Hamburg schwadronieren, gehen essen, bummeln und lassen es uns gut gehen. Vergangenheit ist erledigt, hat uns dahin geführt wo wir heute stehen. JETZT leben, die Zukunft ist nicht greifbar . Also, warum sich Sorgen machen. Das meiste haben wir bewältigt, es hat uns verändert. Aber nicht unbedingt so, dass wir leiden müssten.
Aber es ist wie es ist und es kommt, wie es kommt.
Nicht zu lange warten bis wir mal wieder so eine intensive Zeit genießen! Es gibt viele wunderbare Ort und:
Best Ager Freunde haben sich immer viel zu erzählen!