GENERATION FRAUENPOWER
GEBOREN 1950 – 1965?
Dann gehörst du definitiv zu der Generation Frauenpower! Herzlichen Glückwunsch.
Wir machten den Weg frei!
Ein Weg zwischen den Welten nur kurz nach dem 2. Weltkrieg bis heute.
Die Mädchen dieser Generation waren weitestgehend vollgestopft mit den Lebensweisheiten und Maximen von Eltern der Generation 1925 – 1940. Das allein steht schon für sich. Welche Werte wurden einem Großteil dieser Frauen vermittelt?
In welcher Welt mit welchen „Wahrheiten“ über Männer und Frauen ist diese Generation konfrontiert gewesen? Mütter bekamen Orden und Väter zogen in den Krieg.
Nach 1945 wurde die heile Welt erfunden. Die Generation Frauenpower ging an den Start.
Man erinnere sich nur an die hübschen Werbungen der Maggi und Waschmittelhersteller.
„Wenn der Mann nach harter Arbeit heim kommt, freut sich die Frau wenn es ihr gelungen ein schmackhaftes Essen zu zaubern.“
Jede Frau dieser Zeit hat noch die Bilder der ersten Werbespots im Kopf, die heute als Witzfilmchen die Runde machen. Aber es war ernst, mit diesen wunderbaren Empfehlungen wurden zumindest Frauen aus sog. einfachen Verhältnissen konfrontiert. Familie gründen, Kinder bekommen, studieren muss nicht sein. Abitur? Ach je, das war schon das Höchste.
Ich selbst komme aus einem einfachen Umfeld. Meine Mutter war Verkäuferin beim heimischen Tengelmann, mein Vater war Schlosser bei der Bundesbahn und machte eine bescheidene Karriere zum Hauptwerkmeister.
Als ich 1967 die Grundschule verließ und die Empfehlung für’s Gymnasium bekam, herrschte in meinem bescheidenen Elternhaus große Freude und Stolz.
Es war die Zeit von Willy Brandt, in der Chancengleichheit ernst genommen wurde.
Ich, die Tochter eines einfachen Arbeiters durfte zum Gymnasium. Obwohl mir damals nicht bewusst war, dass das zu der Zeit etwas Besonderes war, gefiel mir der Gedanke.
Meine Eltern wählten eine sogenannte „höhere Mädchenschule“ aus. Dort wurde Wert gelegt auf die Ausbildung von Frauen mit einem gewissen Niveau, aber nicht ohne die Wertigkeit die „fraulichen Aspekte“ in den Mittelpunkt zu stellen. So hatte ich in den Jahren neben allen klassischen Fächern auch Hauswirtschaftsunterricht, in der uns die strenge Dame das korrekte Falten von Handtüchern genauso intensiv vermittelte wie Grundlagen der Haushaltsführung inklusive die Basis des Kochens. Ich nutze diese Grundlagen noch immer für meine heute erweiterten Fähigkeiten. Auch die Handtücher falte ich immer noch so…
Aber wir wuchsen hinein in eine kritische Zeit. Es wurde uns die Auseinandersetzung mit den Tricks der Werbung genauso vermittelt wie das knallharte Analysieren schwieriger Schriften. Die politischen Verhältnisse im kalten Krieg, geteiltes Deutschland, die Auseinandersetzung mit dem dritten Reich. Die RAF . All das war täglich da. Die wilden 70iger..
Obwohl wir in einer gefühlten heilen Welt unsere Bildung genossen, wurden durch unsere Lehrer in der Zeit besonders auch Kritikfähigkeit und selbstständiges Denken durchaus gefördert. Meinungsfreiheit und selbstbestimmte Entwicklung sogen wir auf wie die Luft zum Atmen.
Die Pille nahm uns die Verpflichtung, ohne Sex in die Ehe zu gehen. Sie übergab uns die Verantwortung, selbstbestimmt die Zukunft zu planen.
Dennoch waren wir allein damit sicherlich teilweise überfordert. Denn das Programm war ja schon früher implantiert worden. So mussten wir uns mühsam den Weg erarbeiten, der vor uns lag oder liegen könnte.
Nicht immer ganz einfach, sich aus Zwängen und eingetrichterten Lebensmaximen zu befreien.
Die Muster im Kopf saßen bei manchen tiefer. Aber der Wille, sich zu entwickeln war groß und die Möglichkeiten in den 70igern gewaltig. Der Sog von Befreiung traf viele und neue Lebensformen wurden begründet.
Allerdings ist das an mir gänzlich vorbei gegangen.
Für alternatives Leben in WG’s oder Kommunen war ich zu spießig geprägt.
Nach dem Abitur entschied ich mich (auf den guten Rat meines Vaters hin) gegen ein Studium, denn ich wollte ja Familie – wozu also studieren (O-Ton Papa) und begann eine kaufmännische Ausbildung.
(sehenswert : Eine wie diese – ZDFmediathek – sehr gelungener Einblick in den Geist der 70iger am Beispiel einer jungen Frau, die in die Männerdomäne Polizei eindringt – und bis 1977 mussten Frauen noch ihre Ehemänner schriftlich um „Arbeitserlaubnis“ bitten).
Im Laufe meiner frühen beruflichen Entwicklung ab 1980 entwickelte ich aber auch Ehrgeiz und wollte vielleicht so etwas wie Karriere machen. Ich arbeitete als Außenhandelskauffrau und verkaufte ab 1982 börsennotierte Metalle in die Welt. Mein Chef lobte meinen Einsatz, was meinen Ehrgeiz beflügelte. Ich erkannte, dass ich als Frau in einer bis dahin den Männern vorbehaltenen Domäne der freien Wirtschaft auch Entwicklungspotential hatte.
Allerdings hatte ich damit nicht den Familienwunsch aufgegeben. Man versprach uns ja auch damals (wie heute), dass Familie und Beruf vereinbar sein sollten. Nur wie, das war noch nicht ganz klar. Die Kindergärten der 80iger hatten meistens nur bis 12.30 Uhr geöffnet.
Familie und Beruf – ein Traum
Aber mit großem Optimismus (oder Naivität?) ausgestattet, war ich mir sicher dass man alles schaffen kann.
So wurde ich 1986 das erst Mal Mutter eines Sohnes. Da mein Mann nach dem Studium nicht sofort einen Job fand, ging ich nach 6 Monaten Elternzeit (erstmalig 1986) wieder voll arbeiten und mein Mann beantragte Erziehungsgeld (vermutlich einer der ersten in Deutschland). Das war nicht unbedingt der Wunschplan aber eine gute Lösung zur richtigen Zeit.
Allerdings kam die erste Watsche schnell, als ich zurück in meinem alten Job nach einiger Zeit nach einer Gehaltserhöhung fragte, erklärte mir mein damaliger Personalchef dass ich ja jetzt ein Kind hätte und es damit ja keine Notwendigkeit gäbe über meine Karriere nachzudenken. Ich war fertig damit.
Nach kurzer Zeit übernahm ich dann die Mutterrolle in Vollzeit.
So lauerte denn das Pflänzchen „Karriere“ nur noch im Dunkeln meines kollektiven Bewusstseins.
Da war noch was. Aber ich konnte es nicht umsetzen. Gerne wollte ich mich auch intensiv um mein Kind kümmern. Tageskrippen oder – mütter waren zu unserer Zeit quasi nicht vorhanden. Und allein der Gedanke schien mir abwegig.
Als mein Mann dann nach den ersten Jahren im Job Hoffnung hegte, es könne von Dauer sein, kam das 2. Kind. Mein Mann wurde arbeitslos durch Insolvenz. Ich stieg 6 Monate nach der Geburt meiner Tochter wieder ins Berufsleben ein. (Übrigens gab es damals keine U3 Betreuung, mein Sohn war schon 5 als er in den Kindergarten kam)
Nach nur 3 Jahren wurde ich Opfer einer Firmenfusion und verlor meinen gut bezahlten Job, was mir zwar mehr Zeit bescherte, aber auch Existenznöte. Nach einiger Zeit fand ich glücklicherweise eine neue Beschäftigung ebenfalls in der heimischen Industrie.
Angekommen in dem neuen Job (mit Mitte 30) fand ich meinen Ehrgeiz zurück. Gerne wollte ich mehr daraus machen. Aber ich war in einer klassischen, sehr konservativen Männergesellschaft die zwar gut qualifizierte Fachkraft, aber ich war „unterstellt“.
Karriere macht sich nicht von allein, da gehört einiges an Durchhaltevermögen und Einsatz dazu. Das ist am Ende auch eine Frage der Prioritäten. Für Frauen stellt sich diese Frage sicherlich bis heute immer wieder auf`s Neue.
auch wenn die allgemeine Beschäftigung bei Frauen zugenommen hat, befinden sich auch viele immer noch in sog. prekären Arbeitsverhältnissen, Minijobs oder schlechter bezahlten Jobs als die männliche Konkurrenz.
Das Mehr an Einsatz kann häufig nicht geleistet werden, wenn am Feierabend Haushalt und Kinder warten.
Auch aktuell – in sog. Coronazeiten – stellen Analysten fest, dass sich deutlich mehr Frauen um Haushalt und Kinder mit Homeoffice und E-Schooling kümmern als die Männer.
2020 – das sind mindestens 50 Jahre nach den Kampf für Gleichberechtigung, die sich nicht durchgängig realisieren lässt, auch wenn Frauen das Potential haben, werden sie ihrem eigenen Anspruch oft nicht gerecht und fühlen sich ausgebremst.
Die vielen allein erziehenden Frauen haben einen noch härteren Job, müssen sie in gewisser Weise auch die Abhängigkeit von Einkommen und die Unmöglichkeit von Verantwortungsdelegation in Einklang bringen. Ganz ehrlich, allein erziehend ist in unserer Gesellschaft nach wie vor eine Wahnsinnsaufgabe, trotz aller Erleichterungen der Betreuungsmöglichkeiten.
Andere Work-Life Balances für beide Geschlechter müssen möglich werden, Teilzeitmodelle für Männer und Frauen.
Karriere sollte nicht heißen, dass man zwingend 50 Stunden in der Woche arbeitet. Qualifizierte Arbeit kann auch in Teilzeitmodellen geleistet werden.
Gut möglich dass die junge Generation der 20 plus anders unterwegs sein wird, mit anderen Prioritäten, Ideen über Familie und gemeinsame Kindererziehung. Allerdings muss die Gesellschaft insgesamt toleranter und gerechter werden. Und die Veränderung in der Arbeitswelt kann nicht nur mit Quoten geregelt werden, sondern mit klaren Vorgaben was die Arbeitszeitmodelle der Zukunft angeht. Und es hilft auch nichts wenn nur die Sprache weiblicher wird, weil man jetzt darauf achtet dass es um Ärzt_Innen und Anwält_ Innen oder Minister_ Innen geht. Generation Frauenpower wird sich fortsetzen, nicht nur in sprachlicher Veränderung.
Der Weg in die Zukunft geht vorwärts und nicht rückwärts. Wir haben einen großen Anteil an jungen intelligenten Frauen, die studieren oder sich auf anderen Wegen entwickeln wollen. Aber wir können damit nicht die Natur ändern, der Fortbestand unserer Art ist abhängig von sinnvollen Zukunftsmodellen.
Vielleicht ist unsere Gesellschaft auch auf einem weiblichen Weg.
Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird dazu gemacht.
( Das andere Geschlecht – Simone de Beauvoir Simone de Beauvoir
französische Schriftstellerin * 09.01.1908, † 14.04.1986)
Frauen sind vielseitig, belastbar, willensstark und empathisch. Frauen geben nicht auf! Frauen müssen mit erhobenem Kopf durch das Leben gehen und sich ihrer Kraft bewusst werden. Generation Frauenpower ist nicht nur ein Schagwort.
Meine Generation ist auch stark geworden, auch wenn sie es manchmal nicht durchgängig geschafft hat, die Ernte für all die Anstrengungen einzufahren.
Dennoch waren und sind wir Wegbereiterinnen für unsere Enkelinnen, die uns in 10, 15 oder 20 Jahren beweisen werden, wer die Ideen und die Kraft für Zukunft haben wird.
Emanzipation ist kein Projekt mehr, es ist Realität.
Wir sind und waren keine „Emanzen“ die gegen die Männer paktiert haben, sondern wir sind Menschen, die geglaubt haben sich mit ihrer Intelligenz und Willenskraft behaupten zu können und die still und leise immer wieder aufgrund „natürlicher“ Umstände ausgebremst wurden und werden.
Ich mag diese Generation Frauenpower und danke den Frauen der 70iger dafür, dass sie sich damals erhoben haben und unseren Wert benannt haben. Ich bin auch dankbar, dass wir selbstbestimmt Entscheidungen über uns und unseren Lebensweg treffen können, was Jahrhunderte nicht selbstverständlich war.
Wir müssen uns nicht mehr fragen ob wir „dem Manne gleichgestellt“ sind.
Die Ute – zum Weltfrauentag 8. März 2021
zum Nachlesen / Gucken:
- Was Frauen durften Diese Rechte haben Frauen in den letzten 100 Jahren errungen (humanresourcesmanager.de)
- Zu den Anfängen der Emanzipationsbewegung in den USA auch gerne mal
- „Mrs. America“ auf Netflix schauen America Episodenguide und News zur Serie (serienjunkies.de)
- Alice Schwarzer https://de.wikiquote.org/wiki/Alice_Schwarzer) https://www.zitate.eu/autor/alice-schwarzer-zitate/38688
- https://www.zitate.eu/autor/alice-schwarzer-zitate/285477