Wir leben in einer sogenannten schnelllebigen Gesellschaft, durchstrukturiert, organisiert, darauf bedacht dass alles schnell und effizient erledigt wird. Wir klagen über Bürokratie als Zeitfresser, wir jammern über alles Mögliche und sind nie zufrieden. Die Belastung für junge Familien ist enorm und das Gefühl der Unzulänglichkeit wächst. Wie können wir alles bewältigen und dann auch noch glücklich dabei sein. Was fehlt eigentlich?
Unlängst hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit einer älteren Freundin, die mit 83 Jahren einiges erlebt und gesehen hat in ihrem Leben. Dabei offen und wach und kein bisschen bitter. Und trotzdem vermisst sie etwas. „Es ist alles so selbstverständlich, was man im Leben geleistet hat, alle Höhen und Tiefen verarbeitet hat, sich um Kinder, Mann, Arbeit und das bisschen Haushalt gekümmert hat“.
Die Nachkriegsgeneration hat einiges auf dem Buckel. Wiederaufbau, neue Welt. Aber auch die Babyboomer sind in den 50iger und 60iger Jahren immer noch stark geprägt von einem klassischen Familien- bzw. vor allem Frauenbild.
Wir haben gelernt zu funktionieren und es nie in Frage gestellt.
Doch woher nimmt man die Kraft, ein Leben einfach so zu stemmen? Sind wir uns selbst genug und klopfen uns regelmäßig auf die Schulter, um uns zu bestätigen dass wir Superhelden bzw. Superfrauen sind. Dass wir stolz sein können auf das Geleistete. Interessiert es überhaupt jemanden?
Im Job wird erwartet, dass wir unsere Leistung jederzeit abrufen können, ganz egal wie die private, persönliche Situation grad aussieht. Zumindest habe ich das noch so erlebt. Der Druck von allen Seiten macht es nicht besser. Du musst liefern, sonst kommt Kritik. Umgekehrt, wenn du lieferst und auch gut bist, kommt selten etwas an Anerkennung oder Wertschätzung für das Geleistete.
Bester Spruch eines meiner früheren Chefs:
„Keine Kritik ist Lob genug“ Was für ein blöder Spruch.
Aber: Männer klopfen sich gerne mal selbst auf die Schulter, Frauen sind da zurückhaltender. Erziehungsthema: Gender spezifische Erziehung funktionierte gestern wie heute)
Im Privaten ist es häufig nicht viel besser. Frauen zweifeln an sich, Frauen glauben immer noch dass sie nicht genug liefern. Das Engagement für Kinder und Familie steht bei vielen im Vordergrund. Aber wer klopft auf deren Schultern? Niemand, und das ist fehlende Wertschätzung, die sich dann in permanenter Selbstkritik äußert. Weil wir scheinbar nicht genug sind.
Dabei sind wir doch alle, in jeder Generation, wertvoll genug für unsere Leistungen Respekt und Anerkennung zu erhalten. Wissen wir wirklich, was unsere Eltern und Großeltern geleistet haben, damit wir heute das sind was wir sind?
Seien wir mal ehrlich, haben wir unsere Eltern später in deren Leben bewusst geschätzt für das was sie für uns geleistet haben? War uns überhaupt bewusst, welche Einschränkungen oder sogar Entbehrungen sie auf sich genommen haben. Oder was sie uns vermittelt haben?
Vor einiger Zeit hatte ich ein Gespräch mit meinem Sohn, in dem es darum ging dass Jugendliche heute so schnell an Drogen gelangen und die Probleme immer schlimmer werden. Wohin gegen meine Kinder tatsächlich nie Drogen zu sich genommen haben. Er meinte, „ ihr habt uns rechtzeitig aufgeklärt und wichtige Werte vermittelt. Daher sind wir davor immer zurück geschreckt“
Ergo, darum geht es doch: Werte vermitteln und offen reden. Das ist auch Wertschätzung in beide Richtungen. Aber nochmal: Wir müssen uns gegenseitig mehr wertschätzen und nicht stumpf immer nur einer allgemeinen Doktrin folgen, die da sagt: Funktioniere, sonst bist du nichts wert.
Ich spüre sehr deutlich in den letzten 2-3 Jahren, dass das Alter unaufhörlich seine Schatten voraus schickt. Irgendwann können wir nicht mehr so funktionieren. Dann sind wir ein Kostenfaktor für die Gesellschaft, die Kinder müssen sich Gedanken um die Betreuung machen. Dann fragt sich niemand mehr, welchen Anteil wir an einer funktionierenden Gesellschaft hatten.
Man vergisst dass wir es waren, die den Weg für die nachfolgende Generation geebnet haben.
Wichtig genug, dass wir uns jetzt selbst genug wert sind
und nicht unsere Fähigkeiten und Leistungen unter den sogenannten Teppich kehren. Ja, sicher brauchen wir ab und zu ein Schulterklopfen oder ein bisschen Dankbarkeit, eine Umarmung oder den „Daumen hoch“. Aber vorrangig dürfen wir unseren Wert nicht anderen zur Verfügung stellen, die es nicht zu schätzen wissen.
Wenn ihr noch Zeit dazu habt, fragt doch mal eure Eltern, was sie glauben das sie wertvoll macht. Oder denkt mal selber nach. Ich weiß aus eigener Erfahrung dass es extrem gut tut, wenn die Kinder sich interessieren und eine liebevolle Wertschätzung in welcher Form auch immer zu uns findet.
Oft genug bereue ich, dass ich genau das nicht ausreichend getan habe.
Kann man nicht nachholen.
Alles Liebe für alle, die sich ganz ungeniert selber schätzen.
p.s. heute keine Bilder – ich finde nichts was zum Thema passt.